Eine Rezension
Die Stille kommt beim Gehen – auf dem Weg zu mir ist ein wunderbar einfühlsames Buch. Die Autorin, Luca Lauga, hat starke transformative Jahre hinter sich. Den Weg, den sie beschritten hat, stellt sie hier auf eindrucksvolle und ausdrucksstarke Weise dar. Sie beschreibt Wege. Wege des Lebens. Innere Prozesse. Wege und Begegnungen im Innen und Außen. Geschichten von sich und Geschichten von anderen Menschen. Diese Geschichten zeigen auf anschaulichste Weise, wie sich vermeintliche Gegensätze aufheben können. Luca Lauga erzählt Geschichten, die sie selbst erlebt hat und von Geschichten, die ihr die Menschen, auf ihren Wanderungen und auf ihrem bisherigen Lebensweg erzählten. Es wird immer wieder deutlich, wie sehr Luca die Kraft, Bedeutung und Wirkung von Worten bewusst ist und wie bedacht sie in Gesprächen mit anderen aber vor allem hier im Buch mit ihnen umgeht.
Gleichzeitig vermag sie auch die stillen Momente – die, in denen es keine Worte gibt und die dennoch (oder gerade deshalb?) die eindrucksvollsten Begegnungen und Erfahrungen ermöglichen und auf ihre Weise eine Geschichte erzählen – zu beschreiben.
Luca verbindet in dem Buch ihre Wurzeln und Kindheitserfahrungen elegant und eindrucksvoll mit den Erlebnissen am und wunderschönen Bildern vom „anderen Ende der Welt“. Der Leser/die Leserin bekommt über das Buch verteilt eine gute Idee von ihrem transnationalen und transkulturellen Familienleben und wie ihr die Besinnung auf ihre Wurzeln dabei halfen, dem mehrfachen Beinahe-Tod ihres Sohnes, sowie eigenen Erkrankungen zu begegnen und dabei in tiefere, wesentlichere Einsichten des Lebens vorzudringen. Die wohltuende Abwechslung und Balance von zwischenmenschlichem Kontakt und Alleinsein kommt durch die klug gewählten Sprünge zwischen den Erzählsträngen anschaulich zum Ausdruck.
So wirken auf uns in der Hektik unseres europäischen digitalen Großstadtalltags die Kommunikationsweisen in den fernen, menschenleeren Anden sowie die Bedrohlichkeit der Naturgewalten womöglich befremdlich. Wohl gar irritierend. Doch Irritationen sind etwas Gutes, so schreibt Luca Lauga. Keine Katastrophen. Diese Momente, Ereignisse und Begegnungen werfen uns auf uns selbst zurück und zwingen uns – ermöglichen uns – uns selbst, unser Leben, die Welt und unsere bisherigen Annahmen in Frage zu stellen und alles aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten. Und genau diese Möglichkeit gibt uns Luca in ihrem Buch.
Luca Lauga nimmt den Leser/die Leserin mit in die Welten ihrer Erinnerung, ihrer Wahrnehmung, ihrer Gedanken und Emotionen. Und so können wir förmlich den weiten Pazifik vor uns sehen, den Duft des frisch gemähten Grases sowie die Heilpflanzen, die ihrem Sohn beim Genesen halfen, riechen und die bangen Momente auf der Intensivstation, die inneren Kämpfe, die körperliche Anstrengung beim Erklimmen der Andengipfel sowie die am Ende tiefe innere Ruhe und den Frieden mitfühlen.
Das Buch ist für Naturliebhaber, Botaniker, Weltenbummler, Reisende und Suchende genauso spannend und voller Entdeckungen, wie für Menschen in tiefen Lebenskrisen. Auch Menschen, die neue Inspirationen und eine neue Welt in leichtgängigem und zugleich einprägsamen Schreibstil entdecken wollen, ist dieses Buch sehr zu empfehlen. Besondere Bedeutung hat das Buch sicher für Menschen mit Unfallerfahrungen oder Krankheiten, deren weiterer Verlauf im Unklaren ist und für Menschen, die für sich selbst noch Traumata heilen müssen oder anderen dabei helfen wollen.
Wer also für sich das Gehen bisher noch nicht als heilsamen oder gar heiligen Akt entdeckt hat, der wird spätestens nach dieser Lektüre noch einmal neu überlegen, es für sich selbst auszuprobieren.
Ich wünsche Ihnen allen viel Freude beim Lesen und Inspiration für Ihren eigenen Weg zu sich selbst.
Nora
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